Wenn man so herumfragt wie viel Wasserwechsel man im Garnelenaquarium durchführen soll, so hört man vielleicht:
10% pro Woche
20% pro Woche
30% pro Woche
50% alle 14 Tage
usw.
Das kann alles richtig sein. Aber warum "kann" ?
Die Frage nach dem Wasserwechsel wird bei Nachfragen von neuen Haltern meistens in 2 Sekunden in genau 3 Worten erklärt. Das Problem dabei ist, der neue Halter nimmt es auf und führt es so lange durch bis die Garnelen in einem Zeitraum von x - xx Monaten plötzlich langsam weniger werden. Junge kommen schon länger keine mehr oder sind nach kurzer Zeit "verschwunden". Was ist passiert?
Kurz: Werden zu wenig Schadstoffe verdünnt die tagtäglich im Aquarium entstehen, dann schaukeln sich diese Schadstoffe auf. Ab einem bestimmten Konzentrationslevel quittieren die Garnelen dies mit einer beginnenden bakteriellen Infektion. Das Immunsystem kann gegen die Belastung nicht mehr ankommen und die Garnele wird krank und verstirbt letztendlich. Dieses "sterben" passiert nach und nach über Wochen oder gar Monate.
Halten wir fest, die sich vermehrenden Schadstoffe im Aquariumwasser sind schlecht und es muss durch Wasserwechsel verhindert werden, dass sich immer mehr Schadstoffe im Wasser ansammeln. Nun fragt man sich also, wie viel Wasserwechsel muss ich den machen, dass sich da nichts ansammeln kann? Um diese Frage zu beantworten muss erst einmal verstanden werden woher diese Schadstoffe kommen:
Woher kommen die für Garnelen gefährlichen Schadstoffe im Aquariumwasser?
Die Schadstoffe kommen von jeglichem organischem Material. Organisches Material ist ein Futterstückchen, Erlenzäpfchen, Laubblatt, Seemandelbaumblatt, Seemandelbaumrinde, Pflanzendünger - also fast alles was ins Aquarium gegeben wird damit es den Garnelen gut geht. Wieso schadet das also?:
Alles was sich zersetzen kann und aus dem Auge verschwindet, ist nicht "weg", es ist aufgespalten und die Reststoffe davon schwimmen unsichtbar im Wasser. Ein Futterstückchen wird von den Garnelen gefressen, Garnelen scheiden Reste aus, diese werden ggf. von Schnecken gefressen, diese scheiden ebenfalls Reste aus - bis dahin sieht man das vielleicht noch, dann kommt die Mikrofauna: Bakterien, Einzeller und die 100ten verschiedene andere Lebewesen die man mit dem Auge vielleicht gar nicht sieht und fressen die Überreste. Aber auch diese Lebewesen scheiden Reste vom Futter aus. Ganz am Schluss dieser Kette bleiben Stoffe übrig die mineralisiert im Wasser schwimmen. Dann kommen die Pflanzen, diese nehmen Stoffe davon auf - aber nicht alle und nicht restlos. Wir sind nun am Ende der Kette angelangt und das was keiner will oder verwerten kann schwimmt als Schad- oder auch Abfallstoff unsichtbar im Wasser. Manch einer wird sagen, was schreibt der Tom, meine Wasserwerte, Nitrit, Nitrat, Phosphat usw. sind doch top. Ja, diese mögen okay sein, jedoch um die Schadstoffe welche den Garnelen zu schaffen machen nachzuweisen, muss man das Wasser in einem Labor zur Analyse geben und untersuchen lassen. Man kann diese Stoffe also nicht alle messen und selbst feststellen wie viel belastende Schadstoffe im Wasser sind.
Wenn das soweit klar ist stellen wir uns die Frage des "Wie viel Wasserwechsel" erneut. Dann kombinieren wir, es kommt also auf die Menge an organischem Material an, welches dem Aquarium zugeführt wird. Da jeder Halter anders füttert und mehr oder weniger organisches Material einbringt, ist nun klar warum ein x% Wasserwechsel der beim einen funktioniert beim anderen nicht funktionieren muss.
Halten wir fest, das Wasser wird kontinuierlich schlechter, aber wir wissen nicht wie schlecht. Also kann man nicht sagen wieviel % Wasserwechsel nun "genug" wäre.
Da ich aber niemand im Regen stehen lassen möchte, hier eine Möglichkeit wie man es machen kann:
Wie macht man es richtig
Mindestens 50% pro Woche, jedes 3te mal 90% (so das die Garnelen gerade noch schwimmen können). Durch diese Vorgehensweise ist ohne überlegen zu müssen und Risiko los ausreichend Wasserwechsel betrieben worden. Alle 3 Wochen wird das Aquarium nun auf Status "Frischwasser" geholt was den Garnelen sehr gefällt und sie es durch ein langes gesundes Leben und viele Junge danken werden.
Ein Effekt der noch zu bedenken ist, ist die Menge des Wassers. Man sagt größere Aquarien laufen stabiler. Ja, sie laufen stabiler weil es länger dauert bis die bedrohliche Schadstoffgrenze ggf. erreicht ist, unter Umständen bei richtig großen Aquarien mit z.B. 500 Liter Jahre. Faktisch kann der Zeitraum bis die 90% fällig sind bei größeren Aquarien gestreckt werden. Meine Angaben beziehen sich hier bis zu einem 60 Liter Aquarium. je kleiner das Aquarium ist, desto mehr Wasserwechsel ist zu empfehlen. Bei einem 10 Liter Aquarium, in dem effektiv vielleicht 8 Liter Wasser sind würde ich jede Woche 90% wechseln, weniger wechseln ist einfach mehr Risiko die schädigende Schadstoffgrenze zu überschreiten.
Hier eine grobe Übersicht der Wasserwechselmengen:
Garnelen sterben bei zu viel Frischwasser?
Es gibt nun Halter, diese betreiben schon länger spärliche Wasserwechsel. Dann wird bei Problemen ein sehr großer Wasserwechsel durchgeführt und mit Pech hat man am nächsten Morgen tote Garnelen im Aquarium. Schon oft hörte ich dann, "zu viel Wasserwechsel ist schädlich, die Garnelen sterben dann". Dazu ist zu sagen, die Garnelen können in dieser Konstellation deshalb sterben, da der Wasserunterschied von Alt- auf Frischwasser einen großen osmotischen Druckunterschied darstellt. Es ist das gleiche Prinzip wie wenn man neue Garnelen bekommt, diese müssen langsam an das neue Aquariumwasser gewöhnt werden, damit sie sich dem unterschiedlichen Wasser vom Transport zum Aquarium langsam anpassen können.
Wie gewöhnt man Garnelen nun richtig von Altwasser auf Frischwasser um?
Sind Sie der Meinung, das Sie zu wenig Wasserwechsel betrieben haben, dann machen Sie nicht den Fehler auf einmal ganz viel zu wechseln. Machen Sie dies einmalig stufenweise:
Am ersten Tag 30% Wasserwechsel
Einen Tag später 60% Wasserwechsel
Am nächsten Tag 90% Wasserwechsel
Nun sind wir schonend auf Frischwasser umgestiegen und können es bei der oben empfohlenen Wasserwechselmenge auch so halten.
Das war die Wechselempfehlung, der jetzt nachfolgende Text ist für die, die es noch genauer wissen möchten.
UPDATE DES BEITRAGES (10.05.2017)
Es geht um die Aussage "Mein Züchter sagt, er wechselt 10 bis 20% Wasser alle 14 Tage und es läuft bei ihm Bombe. Bei mir läuft es aber nicht so gut". "Bombe" ist erst mal der Ausdruck für es läuft gut. Was "gut" bedeutet, ist erst mal Ansichtssache was man wohl erst richtig bewerten kann wenn man Unterschiede in verschiedenen Haltungsmethoden kennen gelernt hat. Erst heute hatte ich wieder ein Telefonat (auch der Ausschlag dieses update endlich zu schreiben):
Fragender:
Mein Züchter wechselt 10 bis 20% Wasser alle 14 Tage, ich habe es auch gemacht, es läuft nicht gut. Ich setze Akadama ein und mein Nitrat liegt bei 20 mg/l.
Meine Antwort:
Woher kommt das viele Nitrat? Das ist zu viel. Wie sich herausstellte wohl weil gut gefüttert wird und prinzipiell zu wenig Wasserwechsel betrieben wird.
Die Frage: "Ja aber bei meinem Züchter läuft es doch auch so - mit wenig Wasserwechsel" ist folgendermaßen zu beantworten:
Erhöhter Nitrat ist "nicht alles". Ist Nitrat erhöht, sind auch andere Werte erhöht. Im Wasser, sind nicht nur die ~ 7 Werte die wir mit unserem Testkoffer messen können, es ist weitaus mehr im Wasser. Ein Futterstück, produziert aus organischem Material das aus Nährstoffen "gewachsen" ist (Artemia, Laub z.B.) besteht aus viel viel mehr. Kleines aber nicht vollständiges Beispiel: Was benötigt ein Organismus (Tier, Pflanze) zum wachsen: Da sind schon mal Spurenelemente, etwa 16 essentielle und einige weitere. Also: Nahrung für Garnelen enthält Spurenelemente. Wird nun gefüttert, dann wird nicht alles der Spurenelemente verwertet, es wird ausgeschieden - bleibt übrig im Kot - was keiner in der Menge verwertet. Auch nach dem die letzte Bakterie über das letzte verwertbare sich hergemacht hat, bleibt was übrig - letztendlich im Wasser. Was bleibt übrig? Vielleicht Zink oder Rubidium (alles Stoffe die in der Garnelennahrung ist). Die Frage: Können Sie mit dem was ihr Wassertestkoffer hergibt Zink oder Rubidium messen - nein, natürlich nicht. Und die 100te anderen Stoffe die ich nicht aufzähle auch nicht!
Älteres Aquariumwasser enthält mit der Zeit also weitaus mehr als nur Nitrat, Nitrit oder das was wir messen können. Verständlich? Dann verstehen Sie auch, dass man der Aussage die man häufig trifft "Meine Garnelen sterben, aber das Wasser ist TIPTOP" mit der Frage begegnen sollte, ob den eine Wasseranalyse im Labor durchgeführt wurde? Kosten gehen da bei 150.- Euro los. ERST DANN kann man sagen anhand des Ergebnisses, dass das Wasser TIPTOP ist oder eben nicht.
Okay, jetzt zum Thema warum es beim Züchter mit dem wenigen Wasserwechsel funktioniert: Es liegt an der Aquarium Einrichtung.
Ein Beispiel anhand Nitrat:
Das in geringen Mengen schädliche Nitrit - das durch das füttern im Wasser entsteht - wird im Aquariumfilter von Sauerstoff liebenden Bakterien zu Nitrat gewandelt. Erst mal eine prima Sache! Wenn man zu wenig Wasserwechsel betreibt, dann sammelt sich also Nitrat im Wasser an. Nitrat über ~ 10 mg/l ist kritisch zu sehen bei Garnelen und hat negative Auswirkungen. Was passiert beim Züchter, der nur alle 14 Tage etwa 10% Wasser wechselt und es "Bombe" läuft, da müsste doch das Nitrat durch die Decke schießen. Und beim anderen, der das selbe macht läuft es ganz schlecht? Wo ist der Unterschied? AM FILTER! Ich erkläre es am Beispiel des HMF, des Hamburger Mattenfilters:
Viele "normale" Halter, setzen den z.B. Pat Mini von Aquael ein. Ein supertoller und sehr erfolgreicher Filter. In Zuchtbecken werden aber vom Züchter "dicke" Filter eingesetzt. Um zu verstehen, warum ein "dicker" Filter ganz anderes leistet als ein schnuckliger Pat Mini muss ich ins Detail:
Ich habe oben geschrieben, dass Nitrit im Filter zu Nitrat umgewandelt wird. Nitrat wird sich ansammeln, deshalb muss es mit dem Wasserwechsel entfernt werden. Im Züchterbecken funktioniert das anders, da gibt es ggf. keinen Nitratüberschuß, es wird mit dem "dicken" Filter mit abgebaut - was der Pat Mini niemals leisten kann.
Wieso baut der Züchterfilter Nitrat ab und mein Pat Mini nicht?
Das liegt an den Bakterien im Filter. Bakterien, die Nitrat abbauen können mögen keinen Sauerstoff! Sie leben in sogenannten aneroben Zonen, also Zonen ohne Sauerstoff und "fressen" dort Nitrat. Diese Zonen sind z.B. tief im Bodengrund. Es dürfte klar sein, dass tiefer im Bodengrund keine so prickelnde Wasserzirkulation statt findet. Also hält sich das Nitrat fressen/abbauen im kleinen Rahmen. Bei einem dicken Züchterfilter sieht das schon ganz anders aus. Eine Filtermatte, die 5 cm stark ist kann auch die Nitrat abbauenden Bakterien beherbergen. Man muss sich das so vorstellen wenn man die "dicke" des Filters betrachtet: Das Wasser (mit allen Schadstoffen!!) wird angesaugt und geht in den Schwamm rein. Gleich zu anfangs, da trifft das Wasser auf die Sauerstoff liebenden Bakterien - die Nitrit zu Nitrat wandeln -. Dann geht es weiter für das Wasser im "dicken" Schwamm. Nitrit ist jetzt zu Nitrat geworden. Wenn der Schwamm "dick" genug ist, dann kommen plötzlich die Bakterien die unter Sauerstoffausschluß leben, also die, die Nitrat umwandeln. Das ist praktisch: Vorne sitzen die Bakterien, die die Nahrung für die dahinter sitzenden "produzieren". Und da die vorne sitzenden für Ihre Arbeit ordentlich Sauerstoff verbrauchen, ist nach der Verarbeitung von Nitrit zu Nitrat auch kein Sauerstoff mehr im Wasser - UND DAS, dass kein Sauerstoff mehr Wasser ist ermöglicht erst die Ansiedlung der Sauerstoffabstinenzler Bakterien welche wie im Schlaraffenland leben, da die Bakterien Kollegen vor ihnen für sie ihren Lebensraum & Nahrung produzieren. Das Endresultat ist, ein solcher "dicker" Filter macht nicht nur aus Nitrit das Nitrat, er eliminiert auch noch Nitrat! Und Nitrat war jetzt nur EIN STOFF (von 100ten) im Wasser, es werden natürlich die vielen anderen (Rubidium Überschuß z.B.) mehr oder weniger mit abgebaut. Ein Pat Mini kann dieses niemals leisten.
Ist es nun klar, warum der Züchter mit 10% Wasserwechsel alle 14 Tage auskommen kann und es "Bombe" laufen kann?
Der Leser dieser Wasserwechselempfehlung für das Garnelen Aquarium inkl. diesem Update hier kann sich vorstellen, dass man das was in diesem gesamten Beitrag steht, wenn jemand fragt "Wie viel Wasserwechsel soll ich machen", dann lieber die "sichere" und kurze Anleitung wie oben empfohlen geben anstatt eine Stunde das Setting abzufragen und zu kalkulieren was man wohl empfehlen sollte.
Züchter, welche nach Kenntnis dieser Infos einem neuen Halter immer noch empfehlen " Alle 14 Tage 10%" ohne die wirkliche Tiefe zu beachten, dass ist einfach fahrlässig und im gesamten nicht zielführend!
Additional: Wer das Update verstanden hat, versteht auch warum ich persönlich kein Freund bin von Add-Ons wie extra noch "Spurenelemente" ins Aquarium zu geben oder warum ein z.B. Futter mit extra Zusatz A,B,C,D, E,F usw. nicht immer das beste im Garnelen Aquarium ist. Auch wird nun wahrscheinlich verstanden, warum ich z.B. in dem von mir entwickelten Mineralsalzen auf Pharmaqualität bestehe, den in niedrigeren Qualitätsstufen sind Verunreinigungen. Diese Verunreinigungen sind z.B. Spurenelemente. Oder anders rum, schon mal beobachtet was Garnelen machen wenn zuviel an "Selen" sich im Aquarium ansammelt? Genau - weniger ist oftmals mehr. Aber dieses Thema führe ich ein anderes mal weiter aus.